Ute Gall ist Gründerin des ambulanten Hospizdienstes, des Arche-Care-Hauses in Lüdenscheid-Gevelndorf sowie des Trauercafés Momo: Ein ambulanter Hospizdienst entsendet Ehrenamtliche in die Haushalte todkranker Menschen, um diese und ihre Angehörigen in Gesprächen zu begleiten. Die gelernte Krankenschwester Gall erinnertesich: „Es begann alles 2001 mit einer Vision. Ich habe beruflich lange Krebskranke versorgt und merkte, dass ich und meine Kollegen oft hilflos und überfordert waren.“2006 gründete sie deshalb einen Verein. Mit vier Sterbebegleitern baute sie ihren Hospizdienst auf, der heute über mehr als 100 ehrenamtliche Kräfte verfügt, betreut durch drei hauptamtliche Koordinatoren. Ihr Tätigkeitsbereich erstreckt sich über den gesamten südlichen Teil des Märkischen Kreises.
Achtmonatige Ausbildung
Gall erklärt: „Wir wirken leise und im Stillen.“ Alle Sterbegleiter erhalten zuvor eine achtmonatige Ausbildung, in der sie sich nicht nur mit Tod und Trauer, sondern auch viel mit sich selbst und ihrem Innersten beschäftigen – mit ihrer eigenen Beziehung zum Tod. Auch Gesprächsführung und das Zuhören-Können stehen auf dem Lehrplan. Nach der abgeschlossenen Ausbildung werden die Ehrenamtler nicht allein gelassen. In einer Supervision kommen sie regelmäßig zusammen und reflektieren das Erlebte. Und manchmal reicht auch das nicht. Gall erzählt von der „ganz intensiven Betreuung“ eines noch sehr jungen Mannes, den sie in den letzten 14 Tagen seines Lebens begleitet habe. „Danach habe ich eine Woche Pause gebraucht, habe Urlaub genommen und bin weggefahren.“Wenn sie im Einsatz sind, nehmen sich die Ehrenamtler ganz zurück und geben ihrenKlienten in deren heimischem Umfeld Raum für all das, was dem Sterbenden wichtig ist, was immer das auch sein mag. Gall und Bürger berichten in vielen Anekdoten. Anhand geschilderter Einzelschicksale wird der Abend hochemotional, zeigt aber auch: Ein jederMensch trauert anders. Gall formulierte einen wichtigen Aspekt ihrer Arbeit so: „Der Ehrenamtliche kommt als Freund und schaut noch einmal ganz anders auf die Person, als das der Angehörige kann.“Wo der eine beispielsweise ganz viel redet, braucht ein nächster unter Umständen auch Jahre, um einen ganz bestimmten, alles ändernden Satz zu formulieren. Oder um etwas zu tun. So schildert Gall in der Rückschau selbst noch ganz vom Erlebten ergriffen, wie sie einst ganz behutsam eine Witwe begleitete. Die Frau konnte nach dem Ableben ihres Mannes nicht ins frühere Ehebett zurückkehren, schlief jede Nacht auf dem Sessel im Wohnzimmer. Allmählich gelang es Gall, der Frau die empfundene Last zu nehmen. Und schließlich fanddiese ihren Frieden und nächtigte wieder in ihrem Bett. Damit war Galls Werk vollbracht.Gedauert hatte dies Monate.
Sterben ist auch ein Thema für Angehörige
Sterben ist also nicht nur ein Thema für die Betroffenen selbst, sondern auch für Angehörige– insbesondere, wenn dies Kinder sind. Diese Erkenntnis führte zur Einrichtung desTrauercafés Momo und zur Ausbildung spezieller Trauerbegleiter für Mädchen und Jungen.Eine von ihnen ist Ilona Bürger. Diese erklärte ihre Arbeit so: „Manchmal reicht ein einzelnesGespräch mit dem Kind.“ In anderen Fällen begleite sie die Mädchen und Jungen aber auch über einen längeren Zeitraum. „Das macht jeder, wie er das empfindet.“ Auch finde die Betreuung der Kinder mal in Einzelgesprächen, mal in Gruppen statt.Ein Teil ihrer speziellen Trauerarbeit richte sich aber auch an die Mütter und Väter sogenannter Sternenkinder – Eltern verstorbener (Klein-) Kinder. Bürgers Erschütterung war beinahe mit Händen greifbar, als sie sagte: „Man kann es sich nicht vorstellen, doch manchmal sagt ein Arzt zu betroffenen Elternteilen: ‘Sie sind doch noch jung. Machen Sie einfach ein neues Kind.’“
Es geht nicht nur um den Tod
Das Trauercafé Momo richtet sich längst nicht mehr nur an Kinder. Abschied nehmen und trauern können dort heute auch Erwachsene. Es geht nicht nur um den Tod – auch das Ende einer Partnerschaft oder der Verlust eines Arbeitsplatzes erzeugen Trauer, wissen die Expertinnen. Willkommen sind daher alle, die Trost und Beistand suchen. DieAngebotspalette des Arche-Hospizdienstes umfasst viele weitere Facetten. Je nach Bedarf werden Gruppen gebildet für spezielle Personengruppen oder Anliegen. Auch findet Projektarbeit in Kindertagesstätten zum Thema Abschiednehmen statt. Bürger: „Die Kleinen nehmen Abschied vom Kindergarten, wenn sie zur Schule gehen. Sie nehmen aber auch Abschied von ihren verstorbenen Haustieren – oder eben auch von Großeltern, Geschwistern oder Eltern, die gehen.“Abschließend verwies Ute Gall darauf, dass auch Alltagsbegleitungen in der letzten Lebensphase möglich seien. Angehörige erhielten zudem in Workshops Informationen.
(Quelle: LN 18.2.2024 (c) Michael Koll)